Auf den ersten Blick ist Scott Pilgrim ein Film, der bestimmt nicht jedem gefallen wird. Es ist die Umsetzung in Filmform durch Edgar Wright (Shaun of the Dead, Hot Fuzz) der gleichnamigen Comic-Reihe von Bryan Lee O’Malley, welche schon in den Comic-Sphäre ein hohes Ansehen erreicht hat. Man könnte sagen, dass dieser Film zugeschnitten auf eine junge Generation ist, die sich von der modernen Technologie gerne und oft blenden lässt, die von den vielen Lichtern nicht genug bekommt und sich in den rechteckigen Bildschirmen verlieren kann. Es sind Menschen, die gerne Videospiele spielen, Comics lesen, sich darin wohlfühlen, aber dafür eine Sparte darstellen, die meistens unter einem negativen Licht steht. Kurz: Die Rede ist von Nerds. Es ist die The Big Bang Theory Generation sozusagen. Dass das nicht ganz so richtig ist, wird sich noch herausstellen. Primär werden diese Fans natürlich den meisten Spaß an diesem Film haben, also die, die den Comic kennen und die Atmosphäre darin lieben. Ich für meinen Teil kenne die Comic-Reihe nicht, konnte mich dennoch für diesen Film ungemein begeistern. Der Grund ist einfach: Scott Pilgrim macht unheimlich Spaß, egal, ob man die Comics kennt oder nicht, gleichgültig, ob man Videospiele spielt oder nicht. Scott Pilgrim ist ein Film, der potentiell einfach jedem Gefallen kann. Es ist eine einfache Geschichte, es sind sehr eigenständige Charaktere, der Humor ist originell und das alles wird audiovisuell in allen Belangen perfekt auf die Leinwand gebracht.
Ob die Adaption auf die Leinwand wirklich
passend ist und jeder Fan der Reihe damit zufrieden sein wird kann ich
nicht beurteilen. Das Resultat ist dennoch aus vielen Gründen gelungen.
Fängt man mit der Optik an, dann wird man sehr schnell feststellen, dass
man sich nicht in der Realität befindet. Man ist in einem Comic und in
einem Videospiel, mit Lichtern, Effekten und ausgeschriebenen Sounds.
Diese Grundlage bietet den Machern eine schier unglaubliche Menge an
Freiraum der Darstellung. Man kann die Bewegungen so rasant gestalten
wie man sie haben möchte oder die einfachsten Bassgriffe als die größten
Erdbeben wirken lassen. Es sind einfach Bilder, die man so noch nicht
gesehen hat, vielleicht in einem kleineren Maße, aber nicht so.
Manche Einstellungen, manche Bilder hätte ich gerne zum Kaffee
eingeladen, verführt und ihnen dann nach angemesserner Zeit einen
Heiratsantrag gemacht. Es sind großartige Aufnahmen, die einem
Videospiel-Gemälde ähneln. Kaum zu glauben, aber auch die Videospielwelt
ist wahrhaftig schön anzusehen. Es bleibt noch nicht einmal
bei einer Videospielwelt. Es ist auch die normale Welt, die sich damit
vermischt und eine herrlich grotesk, schrille Optik bietet.
Auditiv werden die Bilder mit den
genialsten Videospielsounds unterstützt, angefangen mit dem Retrosounds
der alten Konsolen bis hin zu der brummigen Stimme, die in den
Kampfspielen das ,,K.O.!” herausposaunt. Die Sounds sind nuanciert und
perfekt eingesetzt, erdrücken die Atmophäre nicht und bilden stattdessen
eine Grundlage für das Gefühl, welches dieser Film bietet. Es ist eine
Atmosphäre, die sich rasant ändert, hyperaktiv und schrill ist, aber nie
zu einem overkill führt. Es bleibt kurzweilig und es bleibt spaßig. Der
Film geht nun nicht wirklich lange, aber nach einiger Zeit hab ich mich
gefragt, wie sie denn noch diesen und jenen Ex-Lover hineinpacken
wollen, so viel ist schon in den letzten Minuten geschehen. Es bleibt
nur zu hoffen, dass nicht gleich andere Produktionen aus dem Boden
entspringen, die die gleiche audiovisuelle Perfektion hinbekommen
wollen, denn das wird nicht gelingen. Scott Pilgrim könnte man
als kleinen Onehitwonder-Film ansehen, den man nicht nachmachen kann und
auch nicht nachmachen sollte. Es wird ein billiger Abklatsch, wenn man
es versuchen sollte. Denn neben dieser audiovisuellen Rausch sind auch
die Charaktere, der Humor, die Dialoge bis in die letzte Minute
originell.
Grandios sind nicht nur die beiden. Auch
der Einsatz von etlichen Cameos bzw. einigen weiteren namenhaften
Schauspielern versüßen diesen Film um einiges. So spielt Chris Evans
z.B. einen Ex-Lover, der – als Actionstar üblich – erstmal seine
Stuntdoubles gegen Scott antreten lässt. Daneben gibt es noch Anna
Kendrick (Up In The Air), die Scotts Schwester spielt; Kieran
Culkin, Scotts schwuler Mitbewohner; Jason Schwartzman, Ramonas Ex-Lover
Gideon; Brandon Routh (Superman Returns, Chuck), den man in einer der witzigsten Rollen als Veganer in diesem Film zu sehen bekommt; Brie Larson (United States Of Tara), so wie Thomas Jane in einem Cameo. Es ist ein grandioser Cast, bei dem wirklich alles harmoniert.
Scott Pilgrim Gegen den Rest der Welt
ist in jeder Hinsicht einfach eine positive Überraschung gewesen. Der
Humor ist anders und fixiert sich nicht wie die typischen, plumpen
Komödien auf Drogen und Geschlechtsorgane, er ist anders. Und besser. So
bestellt Scott z.B. ein Paket, weil er weiß, dass Ramona die
Lieferungen ausführt und wartet nach dem Klick am Computer im
Schneidersitz vor der Haustür. Es ist eine zwanglose, lockere
Atmosphäre, eine einfache Aktion, aber so herrlich skurril, dass das
Lachen vorprogrammiert ist. Aber nicht nur der Humor ist genial, sondern
auch die Action. Die Kampfszenen sind wunderbar choreographiert und
könnten manchem anderen Actionfilm ohne Probleme das Wasser reichen,
wenn nicht sogar übertrumpfen.
Ich kann nur schwer etwas gegen diesen Film schreiben. Man hat den
Handlungsstrang mit Scotts Ex Envy (Brie Larson) mit der Zeit etwas
vernachlässigt, aber das merkt man erst, wenn der Rausch vom Film
abgeklungen ist, und der dauert lange an. Die Story ist einfach
gestrickt, wie ein Videospiel eben. Gegner, die man bekämpfen muss bis
zum Endgegner. Das Ganze ist natürlich vorhersehbar, aber Wright hat
bestimmt kein vielschichtiges Werk gewollt. Als Macher von Shaun of the Dead und Hot Fuzz ist die Story offensichtlich nicht der Punkt, worauf man sich konzentrieren sollte, besonders nicht bei Scott Pilgrim.
Es ist eine Liebesgeschichte und ein rasantes, aufregendes, spaßiges
Abenteuer. Es ist ein lebendig gewordener Comic. Es ist das beste
Videospiel, das keines ist.
9,5 von 10 Punkten
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