Freitag, 10. Februar 2012

Drive


(USA 2011)



“If I drive for you, you give me a time and a place. I give you a five-minute window, anything happens in that five minutes and I’m yours no matter what. I don’t sit in while you’re running it down. I don’t carry a gun… I drive.” Wer nach diesen ersten Sätzen glaubt, er befinde sich in einem Autofahrfilm oder standardisiertem Heist- Movie, könnte falscher nicht liegen. „Drive“ ist so ziemlich alles, von poetisch bis ultrabrutal, nur eines ist dieser Film nicht, und das ist konventionell. 

Gleich zu Beginn schreibt „Drive" Filmgeschichte. Wer wissen will, warum Nicolas Winding Refn beim Filmfestival in Cannes den Regiepreis gewann, braucht sich nur die Exposition seines furiosen Action-Dramas anzusehen. Der Däne zelebriert eine epische Verfolgungsjagd, die vor Intensität fast die Leinwand zum Bersten bringt – und das ganz ohne überkandidelte Crashs und ohne zu Schrott gefahrene Karossen. Wer hier durch andere Filme an Schnitte in Lichtgeschwindigkeit und explodierende LKWs in Slow-Motion gewöhnt ist (einen freundlichen Gruß an Herrn Michael Bay), sollte dann jetzt lieber abschalten! Stattdessen setzt Refn auf handgemachte und entsprechend realistische Stunts, dazu gönnt er sich raffinierte, stilvolle Zeitlupen – eine unfassbar gut inszenierte Eröffnung. Der Driver verzieht nach der Entdeckung durch die Polizei keine Miene und entkommt durch das virtuose Zusammenspiel von kühlem Kopf und durchgetretenem Gaspedal. Wenn Ryan Gosling mit dem Fluchtauto vor der roten Ampel steht, während die Polizei direkt gegenüber ebenfalls auf grün wartet, steigt die Spannung dermaßen an, dass man sich als Zuschauer genauso verkrampft, wie die beiden Einbrecher auf der Rückbank. Auch hier wird schon einiges über den Hauptcharakter verraten. Selbst in einer solchen brenzligen Situation verzieht er keine Miene und kaut lässig auf einem Zahnstocher herum, nur um dann mit perfekten Fahrkünsten endgültig aus dem Scheinwerferlicht der Polizei zu verschwinden. Nach diesem grandiosen Einstieg entwickelt sich eine Geschichte um Geld, Mittelsmänner der Mafia und natürlich den Driver. Ryan Goslings Figur ist zweifellos mysteriös, aber interessant. Auf die Frage was er denn tue, antwortet der Mechaniker/Stuntman/Fluchtwagenfahrer: „I drive.“ Und das tut er. Die Handlung ist so aufgebaut, dass es immer wieder zu heftigen Gewaltausbrüchen kommt. Die Gewalt in „Drive“ ist in nie cool, sie kommt meistens unerwartet und dann sehr sehr hart. Selbst wenn man schon einiges an Brutalität in Filmen gesehen hat, die kurzen aber prägnanten Szenen in „Drive“ lassen einen als Zuschauer immer wieder zusammenzucken. Auch die Präzision des Drivers entsetzt dabei. Der normalerweise sehr ruhige Charakter scheint völlig kompromisslos, wenn es um Leben und Tod geht. Hat man eben noch eine leidenschaftliche Kussszene im Fahrstuhl gesehen, so wird dort Sekunden später jemand auf brutalste Weise umgebracht. Und schließlich endet „Drive“ in einem furiosen blutigen Finale, dem man sich nicht entziehen kann. Die darstellerischen Leistungen sind fantastisch. Alle Schauspieler passen in ihre Rollen und spielen mit einer Intensität, dass man so sehr in die Atmosphäre des Films gezogen wird, wie selten zuvor. Allen voran Ryan Gosling, der es schafft auch ohne große Worte sämtliche Gefühle und Emotionen seiner Figur auf die Leinwand zu bringen. Um es kurz zu machen: die perfekten schauspielerischen Leistungen, die grandiose Musik und der wirklich großartige 80er Jahre Style machen „Drive“ jetzt schon zu einem nahezu perfekten Kultfilm. 

Alles was bleibt ist eine wichtige Frage. Was war mit der Academy los? Oder, um es mit den Worten von Russell Crow zu sagen: „Ryan Gosling didn't get an Academy nomination? There's some fucking bullshit right there.“

9 von 10 Punkten

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