WALL•E ist in einer fernen Zukunft (genau 700 Jahre), der letzte Roboter auf Erden. Die Menschheit hat den Planeten zurückgelassen – völlig zugemüllt (Und da haben wir auch schon den ersten Moralischen Unterton des Films, der da lautet: “Kinder müllt euren Planeten nicht zu.“). Nur WALL•E wurde irgendwie vergessen, und brav erfüllt er Tag für Tag seine Pflicht: Er presst Müll zu kleine Quadern zusammen uns stapelt diese. WALL•E, der durch das Hinterherräumen menschlicher 'Überreste' den Lebensweg eines Menschen einschlägt. Seine Lunchbox im Gepäck, macht sich der gute jeden Morgen auf zur Arbeit, die er sauber verrichtet. Pünktlich zum Feierabend kehrt er dann nach Hause zurück, zieht die Schuhe beziehungsweise Ketten aus, schaltet den Fernseher und iPod ein, gibt seinem Haustier, einer Kakerlake, etwas zu essen und räumt noch etwas auf.
So kann man WALL•E in der ersten Hälfte des Film beobachten wie er probiert mehr über die Menschen herauszufinden. WALL•E ist nicht nur auf der Suche nach Menschlichem, also nach Entwicklung, sondern ist er auch auf der Suche nach Gesellschaft. Tagtäglich schaut er sich Szenen aus Hello, Dolly! an, die ihm das Phänomen Liebe näher bringen. Auf diesem Gebiet ist er natürlich gänzlich unerfahren, trotzdem merkt er, dass das etwas in ihm wach wird, dass definitiv etwas ganz Schönes markiert. Und so ist diese Szene selbstredend für die Humanisierung des kleinen Müllsammlers, in jeglicher Hinsicht. Seine große Liebe findet er dann schließlich auch in EVE, die zwar Erfahrung mit Menschen hat (wie sich später ableiten lässt), aber auf dem Gebiet der Liebe ebenfalls neu ist.
Nach den ersten Annäherungsversuchen, von der männlicher Seite aus, kommen sich die beiden schließlich näher. Es gibt viel zu entdecken und voneinander zu lernen. Und spätestens hier sind die beiden Protagonisten keine metallischen Maschinen mehr, sondern Wesen aus Fleisch und Blut. Jetzt erwartet uns in der ersten Hälfte des Films, leicht albern wirkende Anspielungen auf Genreklassiker im Hintergrund. Die erste Hälfte von WALL•E gehört niemand geringerem als der Liebe und den Gefühlen.
Wenn man jedoch wie Stanton es tut, eine sozialkritische Komponente in seinen Film einbaut, die weit über den kleinen moralischen Zeigefinger geht, den man sonst aus Animationsfilmen (Und die Moral von der Geschicht: …) gewohnt ist, enttäuscht das. Wieso wurde die Welt so schmutzig, wo sind die anderen Lebewesen? Diese Fragen, welche die Menschen betreffen, ignoriert der Film durchweg. So wundert sich der Kommandant der Axiom später auch nicht, den Anweisungen eines siebenhundert Jahre alten Präsidenten zufolgen. Scheinbar bestand kein Kontakt zwischen der Exekutive und ihren Untertanten, andernfalls lässt sich das Verhalten des Kommandanten nicht erklären. Natürlich ist WALL•E vordergründig eine Geschichte über die Liebe zweier Individuen zueinander. Da Stanton diese Romanze jedoch in ein sozialkritisches Umfeld setzt, muss er für jenes auch Verantwortung zeigen. Woher kommen zum Beispiel die Babys auf der Axiom? Hierbei muss es sich ja um Retortenkinder handeln, zeigt das Verhalten von John und Mary doch, dass ein sexuelles Interesse zwischen den Passagieren im Grunde nicht vorhanden ist. Aber hierfür bleibt Stanton ebenso ein Antwort schuldig, wie für die Intention von BnL seine Bürger subversiv zur Füllerei aufzurufen. Die Verblüffung von Mary bei ihrer Entdeckung ist zwar eine nette Referenz zu John Carpenters They Live, doch fehlt auch hier die inhaltliche Tiefe. Die zweite Hälfte ist leider doch etwas zu penetrant und didaktisch geworden, sodass auch der letzte kapiert (der bis dahin noch nicht nachgedacht hat), dass es mit unserem Planeten auf Dauer nicht so weiter gehen kann, wie es derzeit der Fall ist. Da kann man noch so viele Maschinen bauen, natürliches Leben ist durch nichts zu ersetzen. Natürlichkeit ist leider auch im Falle der Menschen, die im Film auftauchen, das Problem. Wählt man in der ersten Hälfte, als die Menschen noch nicht so unendlich durch die Technik verwöhnt waren, echte Menschen, statt Mann und Frau aus dem Computer, so kommt mit ihrer zweiten Industrialisierung auch gleichzeitig die Animation ins Spiel. Der Mensch ist durch die Technik verwöhnt, wird fett und unbeweglich, sodass er irgendwann komplett von ihr abhängig ist und ohne sie gar nicht mehr weiß, was er eigentlich tun soll. Da passt es ja fast schon wieder, dass er selbst zur Maschine (aus dem Computer) wird. Interessant auch zu sehen, was
passiert, wenn ein Glied in der vollständig technisierten Welt einmal aus der Reihe fällt - Abhängigkeit schafft eben immer auch Probleme, eine Art umgekehrte Symbiose quasi. Und wann hat man bitteschön zuletzt psychisch angeschlagene Roboter in einem Film gesehen, die in einer Psychiatrie behandelt werden?
Zu verdanken hat der Film das nicht zuletzt auch Ben Burtts (Star Wars: Episode I-VI) großartigem Sounddesign, das sich wohl schon jetzt als Oscar gekrönt betrachten dürfte, ich gehe sogar noch etwas weiter und sage es wird auch den Oscar für den besten Animationsfilm bekommen. Und so ist WALL•E besonders in seiner ersten, deutlich besseren Hälfte fast überlebensgroß und zeigt, dass bisweilen auch der Mensch noch einiges von der Maschine lernen kann.
8 von 10 Punkten
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